Sonntag, 5. Oktober 2014

[REZENSION] Wettlauf in der Nacht



Titel: Wettlauf in der Nacht
Originaltitel: Haunters
Autor: Thomas Taylor
Reihe: nein (?)
Seiten: 416
Preis: 14,99€
Verlag: Chicken House
Bewertung: ♥♥♥♥♥♥♥•••


Eddie, Adam und David leben in verschiedenen Jahrzehnten. Trotzdem laufen sie sich immer wieder über den Weg. Denn die Jugendlichen verbindet eine seltene Gabe. Während sie schlafen, können sie alle Grenzen überwinden und durch Raum und Zeit reisen. Dabei verfolgt jeder sein ganz eigenes Ziel. Eddie will alles über das Traumwandeln herausfinden. Adam versucht mit allen Mitteln den Lauf der Geschichte zu verändern. Und David muss seine Familie retten, bevor sie ausgelöscht wird.


Ich glaube ich habe es schon bei meinen Neuzugängen erwähnt: Ich finde das Buch echt verdammt klein. Bei einer Klappbroschur für den Preis hätte ich wirklich nicht ein so kleines Buch erwartet. Ich habe es mal mit meinen kleinsten TBs verglichen und unter 16 Stück auch zwei gefunden, die genauso klein sind. Die haben allerdings nur etwa die Hälfte gekostet. Irgendwie regt es mich echt  auf, dass das gute Stück als Klappbroschur (und bei Amazon und Weltbild sogar als „gebunden“) verkauft wird und dann gleich mal an die 5€ mehr kostet als andere TBs in dieser Größe.

Aber vielleicht noch kurz etwas zum Cover. Ich stehe total auf die brennende Uhr! Auch deshalb bin ich auf das Buch aufmerksam geworden. Es hat irgendwie so einen leichten Oldschool-Touch, wirkt aber durch die digitale Anzeige auf der Uhr trotzdem modern. Jedes Kapitel beginnt mit einem schwarzen Balken in dem in Digitalanzeige eine Ziffer steht. Zu Beginn dachte ich noch, dass es sich hierbei wirklich um Uhrzeiten handelt, was mich reichlich verwirrt hat, aber irgendwann haute die Logik dann doch nicht mehr hin. ;) Aber dadurch wird deutlich wie wichtig die Zeit in diesem Buch ist.
Nein, abgesehen von der Größe, mag ich die Gestaltung des Buches sehr gern.


David kauerte auf dem Dach des Hauses seines besten Freundes, während die Flammen, die es verschlangen, in den Nachthimmel loderten.


„Für Menschen wie dich und mich gibt es sowas wie „bloß ein Traum“ nicht.“ (S.355)

Schon seit einiger Zeit hat David merkwürdige Träume. Er begegnet immer wieder einem Jungen, von dem er sich sicher ist, dass er ihn in seinem Leben noch nie zuvor gesehen hat. David kann sich nicht genau erklären wieso das so ist, nimmt es jedoch als gegeben hin und freundet sich mit dem Jungen, Eddie, in seinen Träumen an.
Genau wie David ist Eddie ein Außenseiter. Sie sind beide nicht sonderlich beliebt und haben so gut wie keine Freunde. Dadurch ist es für David in der Schule natürlich nicht immer einfach und er gerät öfter mal in Schwierigkeiten. An dem Tag an dem die Geschichte beginnt wird er jedoch vollkommen ohne offensichtlichen Grund ins Büro des Direktors gerufen, wo schon ein paar sehr merkwürdige Ärzte auf ihn warten. Angeblich hat er einen Termin im Krankenhaus, ist sich dessen jedoch nicht bewusst und beim Versuch Kontakt mit seiner Mutter aufzunehmen, gerät die Situation außer Kontrolle. Kaum das David sich versieht wird er von Menschen die er nicht kennt durch die Stadt verfolgt. Seine Flucht erscheint aussichtslos und endet schließlich in den Armen der Fremden.
Er ahnt noch nicht, dass für ihn zu diesem Zeitpunkt eine vollkommen neue und aufregende Reise beginnen wird, denn David ist kein gewöhnlicher Junge und seine Träume sind nicht nur Träume. Er ist ein Traumwandler und kann im Schlaf durch Zeit und Raum wandeln.

Über das Buch gibt es nur sehr wenig Negatives zu sagen, bis auf einen großen Punkt mit dem ich vielleicht gleich anfange.
Zu Beginn war ich noch echt begeistert von der Geschichte. Traumwandeln und Zeitreise? Das klingt doch mal richtig genial! Und auch der Einstieg in das Buch war mehr als spannend. Die ersten Seiten flogen nur so dahin und ich konnte das Buch kaum bei Seite legen.
Doch haben sich leider meine bösen Ist-das-dumm-Post-it’s etwa ab der Mitte des Buches immer mehr gehäuft. Rückblickend wurde mir dann doch bewusst, dass mich ab der Mitte des Buches nicht die Geschichte selbst sondern einfach nur David und die ganzen Umstände die ihn umgeben irgendwie etwas genervt haben.
Er wird extrem als eine Figur, die einfach mal keine Ahnung hat, dargestellt. Was aber nicht seine Schuld ist, denn keiner, wirklich KEINER erzählt ihm was abgeht oder versucht ihm irgendetwas beizubringen. Obwohl die Mission für die er eingesetzt werden soll so unglaublich wichtig ist, macht sich niemand die Mühe ihm zumindest mal ansatzweise zu erklären wie das Traumwandeln funktioniert. Natürlich ist David schon traumgewandelt bevor er in die Organisation aufgenommen wurde, doch war sich zu dem Zeitpunkt dessen nicht bewusst, weshalb man das nicht geltend machen kann.
Stattdessen werden ihm einfach nur drei Regeln hingeknallt (die er natürlich brechen wird, weil keiner ihm sagt wieso sie so wichtig sind), dann wird er zu einem viel zu ausgelatschten geschichtlichen Ereignis mitgeschleppt, damit er sehen kann, wie David und Goliath sich bekämpfen. Aber nicht das Mal jemand auf die Idee kommt ihm zu sagen wie er seine einzige Waffe, Energiestöße, benutzen kann. Nö. Das findet der bestimmt von ganz alleine raus. Stattdessen können wir ruhig noch ein bisschen über ihn meckern und sagen wie doof er eigentlich ist und das wir ihn gar nicht brauchen.
Echt jetzt. Noch nie hat es mich so aufgeregt, dass ein Charakter dermaßen außenvorgelassen wird bei einer Story wie bei dieser. Ich habe förmlich mit David mitgefiebert, immer in der Hoffnung, dass ihm irgendwann jemand mal was erzählt. Aber Pustekuchen. Da muss der Gute sich letzten Endes dann doch selbst helfen.
Oder eben seine gute Freundin Petra. Petra, die Draufgängerin, die ich so gar nicht leiden konnte, weil sie ein einziges Klischee war. Aber zumindest hat sie David dann mal auf einem wichtigen Einsatz zumindest gezeigt wie er durch eine Wand gehen kann. Hurra! Genau das hat er gebraucht.

Abgesehen davon hat die Geschichte echt viel Potential. Es geht ums Traumwandeln und das auf einer wirklich interessanten Ebene. Es gibt mehrere Traumwandler, die aus allen Regionen der Welt zu kommen scheinen. Sie können in Ihren Träumen nicht nur andere Orte bereisen, sondern sogar andere Zeiten und somit frei nach Belieben jedes Ereignis der Geschichte miterleben. Was es da alles für Möglichkeiten gibt…! Bei Wettlauf in der Nacht hat man einen kleinen Einblick bekommen. So führt uns die Geschichte nach London im Jahr 1940, in der Zeit des Krieges und der Luftangriffe. Hier hat Thomas Taylor bewiesen, dass er sich offensichtlich sehr viel Mühe mit der historischen Recherche und den Hintergründen gegeben hat. Die Zeit wird sehr detailliert beschrieben, auch die Kleidung, die Sprache und die gesamte Umgebung. Dafür gibt es von mir einen großen Pluspunkt.
Diese Kombination aus Traumwandeln und Zeitreise konnte mich wirklich begeistern und ist dem Autor außerordentlich gut gelungen. Zwar habe ich mir ab und an ein paar zusätzliche Informationen gewünscht, doch kann ich auch nachvollziehen, dass man sich bei diesem Thema mit zu vielen Erklärungen richtig verrennen kann. Die Informationen die man bekommen hat waren klar und deutlich und der Rest blieb meiner Fantasie überlassen.

„Und das ist das eigentliche Wunder des Traumwandelns. Verstehst du nicht? Du kannst nicht nur an jeden beliebigen Ort reisen, sondern auch in jede beliebige Zeit. Losgelöst von ihrem Körper kann die traumwandelnde Seele alle Naturgesetze missachten, ja sogar die Zeit selbst.“ (S.49)

Die Aufgabe der Traumwandler ist es die Geschichte zu wahren und sie zu studieren. Beziehungsweise im Moment ist ihre Aufgabe die Geschichte davor zu bewahren, dass die Heimsuchung (eine Gruppe aus bösen Traumwandlern) sie verändert. Der Heimsuchung geht es allein darum mit Hilfe der Geschichte an Macht und Geld zu gelangen. Dabei ist es ihnen egal, wie sie die Geschichte verändern könnten und was dann in Zukunft geschehen wird.
Natürlich ist es klar, dass es dabei zu vielen dramatischen Szenen kommen kann. Während des Buches darf man immer wieder tröpfchenweise an dieser Spannung teilhaben, bis es am Ende schließlich zum großen Showdown kommt, der dem Autor sehr gut gelungen ist.

Thomas Taylor hat in dem Buch mit sehr vielen liebevollen Details aufgewartet. So gibt es zum Beispiel das „Museum der Dinge, die es nie gab.“ Eine witzige Idee die zeigt, wie viel Mühe hinter der Geschichte selbst steckt. Wie nebenbei sind immer wieder witzige und originelle Erklärungen für bestimmte Phänomene eingebaut, die Wettlauf in der Nacht wirklich einzigartig machen.
Diese Liebe zeigt sich auch bei seinem Entwurf zu den Charakteren. Bis auf die beiden oben genannten konnte Thomas Taylor mich nämlich vom Rest überzeugen. Eddie, der schüchterne komplizierte Junge, der seine Beobachtungen immer in Schulhefte aufschreibt. Dishita, die starke und mutige Anführerin der Traumwandler. Misty, der intelligente Computer, der sich selbst als ein wirklich außerordentlich hübsches Mädchen projizieren kann. Professor Feldrake, der mich vor allem am Ende extrem an Professor Dumbledore erinnert hat. Sie alle verleihen der Story eine echte Vielfältigkeit und Leben, wodurch Wettlauf in der Nacht trotz des Mankos zu einem echten Lesevergnügen für mich geworden ist.

Was mich jedoch reichlich verwirrt hat und worauf ich während des gesamten Buches verzweifelt nach einer Antwort gesucht habe, war der Plan, den die Heimsuchung ausgeheckt hat.
Achtung ab hier wird etwas gespoilert, deshalb bitte den Text markieren um weiter zu lesen.
Adam, der Mitglied der Heimsuchung ist verfolgt das Ziel Eddie zu töten, damit dieser niemals als Erwachsener das Traumwandeln entdecken kann. Was aber keinen Sinn macht, denn wenn Adam Eddie wirklich umbringt, dann hat er das theoretisch gesehen im Endeffekt doch nie getan. Die Möglichkeiten, dass Adam das tun kann, sind nicht gegeben, wenn das Traumwandeln nie entdeckt wird.
Sprich, eigentlich hätte Adam Eddie gar nicht umbringen können. Oder sehe ich da etwas falsch? Das ist so ein Thema bei dem man sich leicht verzetteln kann, aber diese Frage war die ganze Zeit in meinem Kopf und irgendwie hatte ich gehofft eine Erklärung dazu zu bekommen. Sei es nur, dass dann ein anderer das Traumwandeln entdecken würde, oder aber auch, dass Adam schlichtweg beim Versuch Eddie zu töten zerstört wird.

Zwar kann man den missglückten Mordversuch so deuten, dass es gar nicht möglich ist, aber für mich hat es sich nicht danach angefühlt.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es eine Fortsetzung geben wird, dazu habe ich bisher nichts gefunden, doch das Ende ist so gestrickt, dass da noch etwas oder auch sehr viel kommen könnte.
Sollte das passieren, bin ich richtig neugierig auf den nächsten Band. Denn nachdem David erst einmal zumindest ein bisschen Ahnung hat und nicht mehr ganz so außenvorgelassen wird, könnte die Story nämlich richtig gut werden. Wenn jemand hier eine Info hat, würde ich mich sehr freuen. 


Den Mix aus Zeitreise und Traumwandeln hat Thomas Taylor mit sehr viel Liebe und Originalität gestaltet und aufs Papier gebracht. Wettlauf in der Nacht war spannend, von vorn bis hinten interessant und macht sehr viel Lust auf mehr. Lediglich die Umstände in denen David sich befindet waren nicht ganz optimal und eine leichte Verzettelung in der Geschichte hat das Ende für mich nicht ganz logisch gemacht. Trotzdem ein echtes Lesevergnügen!
Von mir gibt es dafür sieben von zehn Cupcakes.


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