Donnerstag, 19. Juni 2014

[REZENSION] Incarceron - Fliehen heißt sterben



Titel: Incarceron – Fliehen heißt sterben
Originaltitel: Incarceron              
Autor: Catherine Fisher
Reihe: Band 1   
Seiten: 480
Preis: 18,99
Verlag: penhaligon
Kaufen: Incarceron
Bewertung: ♥♥♥♥♥♥••••

 

Sein Körper ist gefangen, doch sein Herz ist frei.

Incarceron ist ein gewaltiges Gefängnis. Sein Inneres besteht aus gigantischen Metallwäldern, verfallenen Städten und endlosen Weiten. An diesem Ort gibt es weder Freundschaft noch Vertrauen – und es gibt keine Hoffnung auf Entkommen. Doch der junge Häftling Finn hat eine Verbindung zur Welt außerhalb, zu Claudia, der Tochter des Gefängnishüters. Sie ist Finns einzige Chance, aus Incarceron auszubrechen, und er wiederum ist Claudias letzte Hoffnung, dem goldenen Käfig ihres eigenen Lebens zu entfliehen. Doch Finns und Claudias größter Feind ist Incarceron selbst, das seine Insassen wie ein hungriges Raubtier belauert. Denn dieses Gefängnis lebt ...


Das Cover ist ein Traum. Ich liebe Schlüssel, und selbst wenn ich sie nicht lieben würde, würde ich zumindest dieses Cover lieben! Vor allem der Schriftzug wirkt durch die eingebauten Zahnräder sehr technisch und passt deshalb sehr gut zu Incarceron. Definitiv eines meiner Lieblingscover!
 

Man hatte Finn zu Boden geworfen und an die steinernen Platten des Transitweges gekettet.


Incarceron ist ein Buch, mit einer wirklich außergewöhnlichen Story, die mich sehr überzeugen konnte, jedoch gibt es einige Schwachstellen, auf die ich etwas ausführlicher eingehen muss.

„Das Gefängnis war dazu gedacht, den Abschaum der Menschheit zu verwahren, ihn wegzuschließen und von der Erde zu verbannen.“ (S.90)

Die Geschichte beginnt direkt ohne Umschweife bei Finn, dem Sternenseher. Er ist an einen Transitweg gekettet, ein Zug rast auf ihn zu und es scheint keinen Weg zu geben, auf dem er entkommen kann. Sofort war ich mittendrin im Geschehen und die Spannung war von Anfang an sehr hoch.
Erst nach diesem dramatischen Einstieg wird es ein wenig ruhiger und ich konnte die ersten Details von Incarceron erfahren. Es handelt sich um eine scheinbar unendliche Welt, welche einem Gefängnis gleicht und ein merkwürdiges Eigenleben hat.
Man kann aus ihr nicht entkommen und die Insassen kennen beinahe allesamt kein außerhalb. Sie haben sich ihr eigenes Leben aufgebaut, das für die meisten jedoch kläglich und grauenhaft ist. Finn ist Teil einer Gruppierung, die einige Macht auf andere ausübt. Das liegt an ihrem Vorstand Jormanric, der ohne mit der Wimper zu zucken bereit ist Gewalt auszuüben um zu bekommen was er will.

Auf der andren Seite, außerhalb, lebt Claudia. Sie ist die Tochter des Hüters von Incarceron. Ihre Welt ist zwar äußerst weit entwickelt, doch wurde jeder Fortschritt verboten. Die neue Welt gleicht einem mittelalterlichen Ort, bei dem das Protokoll streng befolgt werden muss.
Nach den Jahren des Zorns (über die ich leider nicht sehr viel - oder mit anderen Worten: gar nichts – erfahren habe) haben sich die Menschen wieder an den Gepflogenheiten des Mittelalters orientiert. Die Forschung erlitt dadurch einen dramatischen Rückschritt, einige Errungenschaften gerieten vollkommen in Vergessenheit oder wurden schlichtweg verboten. Das Protokoll bedeutet, dass man sich strickt an die Vorlagen aus den Büchern halten muss. Kleider, die Gepflogenheiten untereinander, Wohnort und jedes noch so kleine Detail ist genau ausgearbeitet und gleicht dem Mittelalter.
Zwar hat man in dieser Welt von Incarceron gehört, jedoch wurde den Bewohnern ein mehr als falsches Bild vermittelt. Denn entgegen aller Tatsachen erzählt man sich, dass Incarceron eine Art Paradies sei. Claudia ist fasziniert davon und sieht vor allem in der Tatsache, dass ihr Vater der Hüter ist, eine echte Chance diesen Ort von innen sehen zu können. Einer ihrer größten Wünsche ist es, innerhalb von Incarceron zu gelangen.

Diese Idee finde ich wirklich großartig. Der Kontrast zwischen beiden Welten ist sehr stark und wirklich außergewöhnlich. Ein Gefängnis, von dem keiner weiß wo es sich befindet und mit einer Art eigenem Charakter. Hierbei fand ich besonders Interessant, an wie viele kleine Details gedacht wurde. Es fängt damit an, dass der „Sonnenaufgang“ (den es so gar nicht gibt, weil es keine Sonne gibt) als Lichtan bezeichnet wird, die Nacht hingegen als Lichtaus. Sobald ein Mensch sein Leben lässt, werden dessen Überreste durch das Gefängnis wiederverwertet. Oft entstehen dadurch vollständig neue Menschen, die aus verschiedenen Teilen von anderen zusammengesetzt wurde. Und sollte es mal an Materie fehlen, dann werden eben Körperteile aus Metall erschaffen. Incarceron selbst ist scheinbar grenzenlos und niemand kennt sein wirkliches Ausmaß.
Finn jedoch ist von dieser Welt alles andere als fasziniert. Er will unbedingt ins außerhalb und hier beginnt die eigentliche Geschichte.
Hierbei fand ich es lediglich etwas schade, dass man nicht noch mehr Informationen rundherum bekommen hat. Zwar ist klar, dass es den Leuten in Incarceron schlecht geht, doch erfährt man nur sehr verschwommen wieso. Einige Details kann man sich denken, aber es wäre wirklich schön gewesen, diese auch mal lesen zu können.

Schon von der ersten Seite an war ich jedoch fasziniert von der Geschichte. Es gibt sehr viele Elemente, die einfach nur fantastisch und gut ausgedacht sind. Die Idee diese beiden Welten so miteinander zu kombinieren ist so neu und unverbraucht, dass man einfach begeistert sein muss! Dazu kommt noch, dass das Buch durchweg spannend ist und man beinahe keinen Moment hat, in dem man wirklich durchatmen kann.
Insgesamt habe ich die Geschichte als sehr unvorhersehbar empfunden. Ob es nun an mangelnden Beschreibungen liegen mag oder ob nicht – man weiß nie, was die Figuren als nächstes tun werden und wohin die Reise eigentlich gehen soll.
Eine ganze Weile lang werden die beiden Geschichten getrennt voneinander erzählt. Ich denke, es ist jedem klar, dass sie irgendwann aufeinander zusteuern, doch bis zu dem Punkt an dem sie sich treffen, vergeht sehr viel Zeit. Doch bis dahin geschieht so unglaublich viel, dass ich selbst das Gefühl habe eine sehr lange Reise hinter mir zu haben.

Was die Figuren angeht, so war mein absoluter Favorit Jared, Claudias Lehrer. Seine Rolle ist die des Meisters und des Philosophen. Er scheint auf beinahe alles eine Antwort zu haben und neben ihm verblasst die rothaarige und energische Claudia sogar ein wenig. Er findet Möglichkeiten und Wege die Geheimnisse Incarcerons zu entschlüsseln und es macht soviel Spaß ihm dabei zu folgen, dass ich ihn einfach ins Herz schließen musste.

Insgesamt gefielen mir die Kapitel in der Außenwelt um einiges besser. Zwar war hier die Handlung etwas weniger spannend, als in Incarceron selbst, doch hatte ich hier das Gefühl, dass der Weltenentwurf sehr viel besser ausgearbeitet war. Wo in Incarceron sehr viel der Fantasie überlassen wurde, bekam ich hier klare Tatsachen und strikte Ordnungen, durch die ich mich sehr gut in die Welt hineinversetzten konnte.

Doch was mich an dem Buch sehr gestört hat, und weswegen ich auch gleich direkt drei Sterne abziehen muss, ist der Schreibstil, und stellenweise auch das Format des Textes.
Bisher gab es noch kein Buch, dass mich in diesen beiden Punkten dermaßen irritiert hat und bei dem ich es wirklich schade fand, dass es mich irritiert hat.

Wieso Format des Textes? Die Sichtweise der beiden Figuren Claudia und Finn wird jeweils immer in neuen Abschnitten gewechselt. Allerdings aber auch nicht immer, manchmal beginnen neue Abschnitte, ohne dass sich die Sichtweise der Person ändert und ohne das ein solcher Abschnitt nötig gewesen wäre. Die Geschichte geht hier einfach weiter.
Manchmal kommt dann noch hinzu, dass man erst nach einigen Sätzen erfährt, wo man nun ist, außerhalb oder innerhalb. Dadurch musste ich häufig den Beginn des Abschnittes noch einmal lesen, um jetzt zuordnen zu können, wo ich jetzt bin.
Das war aber noch das kleinste Problem.

Einige Textpassagen klingen zwar sehr harmonisch, ergeben aber auf den ersten Blick nicht sehr viel Sinn, und auf den zweiten noch viel weniger. Besonders blieb mir hierbei im Gedächtnis: „Die Luft war kalt und erzeugte ein Gefühl von großer Weite.“ (S.159) oder aber auch „Der Dolch, den er in der Hand hielt, ließ seinen Arm mit enormer Kraft flach an der Wand kleben.“ (S.427). Letzterer ergibt zwar durchaus Sinn, wenn man etwas weiter liest, aber solche Sätze, über die man wirklich erst nachdenken muss, in der Hoffnung, dass sie klarer werden, gibt es in dem Buch zu Hauf.
Sicherlich kann ich nicht sagen, dass das nur am Schreibstil liegt, vielleicht ist auch bei der Übersetzung stellenweise schief gelaufen, doch dann begegneten mir auch Passagen wie solche:

„Durch die Deckenschlitze fiel ein Käfig aus weißem Licht herunter, welches so gleißend hell war, dass es blendete. Ebenso schnell, wie es gekommen war, verschwand es auch wieder, und alles, was Jared noch sehen konnte, war das Nachbild auf seiner Netzhaut.
Er nahm seine Hände wieder vom Gesicht.“ (S.411)

Hier wird die Handlung der Person erst am Schluss angehängt. Ich hatte keine Ahnung, dass er sich zuvor die Hand vor Augen gehalten hatte. So etwas stört meinen Lesefluss ungemein.
Sicher klingt das jetzt nach Krümelkackerei, aber das war die einzige Passage, die man zitieren kann, um zu verdeutlichen was ich meine, ohne Seiten abzutippen. Auch von solchen Stellen gab es massenhaft im Buch. 
Zu Finns Eidbruder Keiro, dessen Name für mich leicht asiatisch klingt, und der direkt zu Beginn nicht wirklich eine optische Beschreibung erhalten hat, wurde mir in der Mitte des Buches erzählt, dass er lange blonde Haare hat. What?! Da musste ich erstmal die ganze Story, die ich bisher gelesen hatte in Bildern neu zusammen fügen, weil mich das dermaßen irritiert hat. 
Dann gab es da noch Sachen mit Menschen, die als plump beschrieben wurden, einige Seiten später jedoch auf einmal groß waren, oder andere Dinge, die ich jetzt nicht alle aufzählen möchte.
Der Stil wirkte für mich dadurch im ganzen Buch teilweise sehr konfus, als ob die Sätze stellenweise einfach in der falschen Reihenfolge aneinander gereiht wurden, oder als ob einfach hier und dort einige Dinge rausgestrichen wurden, ohne groß darüber nachzudenken.

Das alles hängt natürlich nicht mit der Geschichte selbst zusammen, die wirklich – ich muss es nochmal sagen – großartig war, aber die meinen Lesefluss ungemein gestört haben und die mir teilweise echt die Lust verdorben haben weiter zu lesen.

Generell gibt es allerdings in dem Buch sehr wenige Beschreibungen. Vor allem zu Beginn wird mit Worten wie Comitatus, Civitates oder Sapient um sich geworfen, ohne eine Erklärung zu liefern. Wäre ich nicht so schlau gewesen den lateinischen Wortstamm bei Worten zu erkennen und mal kurz im Wörterbuch nachzuschlagen, wüsste ich auch bis heute nicht genau, was das für Gruppierungen sein sollen.
Dann gab es wiederum Dinge, die eindeutig in der neuen Welt erfunden wurden, die jedoch genauso wenig beschrieben werden. Ich erinnere mich an eine Disc, die ich mir aufgrund des Wortes als einfache CD vorgestellt habe, die aber auf einmal mit magischen Knöpfen und jede Menge anderer Spezialeffekte aufwarten konnte, die so gar nicht in dieses Bild hineingepasst haben.
Hier wäre eine Beschreibung oder Erklärung, an der man sich keinen Ast abgebrochen hätte, sehr nett gewesen.
Durch diese fehlenden Beschreibungen wirkte die Welt in Incarceron und auch außerhalb auf mich sehr schwammig. Zwar habe ich mir dann mein eigenes Bild gemacht, doch wurde dies dann meist wieder zerstört, wenn dann doch mal eine Beschreibung hinzukam. Auch am Ende habe ich so viele Fragen zu Incarceron, und auch zu der Welt außerhalb, die fast gar nicht beantwortet wurden.
Dadurch wirkt die ganze Idee, genau wie teilweise der Schreibstil, für mich etwas unstrukturiert und teilweise etwas zu sachlich. In beinahe jedem Satz geschieht etwas. In Kombination mit den oben aufgezeigten Mängeln, musste ich mich stellenweise bei dem Buch sehr konzentrieren, um mitzukommen. Oft musste ich Passagen auch einfach doppelt lesen, um zu checken, was genau jetzt eigentlich abging.

Nichtdestotrotz möchte ich abschließend noch einmal sagen, wie fasziniert ich von der Geschichte selbst war. Diese Mängel an der Art und Weise des Schreibens waren zwar nervig, bis frustrierend, was aber nichts an dem großartigen Ideenreichtum der Autorin ändert. Ich bin wirklich gespannt auf den zweiten Band und hoffe, dass ich mich entweder an diese Dinge gewöhnt habe, oder dass sie beim Folgeband sehr viel besser werden.


Insgesamt gefällt finde ich die Idee der Geschichte großartig. Sie ist unverbraucht und äußerst spannend, jedoch gibt es an der Fassade für mich einige außerordentliche Mängel, die den Lesefluss stellenweise sehr gestört haben. Ich kann nur hoffen, dass ich im zweiten Band ein paar mehr Antworten erhalten werde und auch der Stil etwas angenehmer zu lesen sein wird.
Von mir gibt es insgesamt sechs von zehn Cupcakes.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen