Sonntag, 8. Juni 2014

[REZENSION] Blind Walk



Titel: Blind Walk
Originaltitel: -   
Autor: Patricia Schröder
Reihe: nein       
Seiten: 448
Preis: 14,95€
Verlag: Coppenrath
Kaufen: Blind Walk
Bewertung: ♥♥♥♥♥♥♥•••

  

Als die 17-jährige Lida Donelley zusammen mit ihrem Freund Jesper an einem sogenannten „Blind Walk", einem Event aus dem Internet, teilnimmt, rechnet sie mit nicht mehr als ein bisschen Nervenkitzel. Zusammen mit fünf anderen Jugendlichen werden Lida und Jesper mit verbundenen Augen in der Wildnis ausgesetzt, ausgestattet mit einem Kompass und ein paar wenigen Gegenständen. Doch von Anfang an ist die Stimmung in der Gruppe hochexplosiv. Die Situation droht zu eskalieren, als die Jugendlichen nach kurzer Zeit die Leiche einer der Männer finden, die sie in den Wald gebracht haben. Lida beschleicht das unheimliche Gefühl, dass sie beobachtet werden. Schon bald wird dieser erste Verdacht zur bösen Gewissheit: Irgendjemand da draußen macht Jagd auf sie. Und der Jäger scheint es dabei vor allem auf sie, Lida, abgesehen zu haben.

 

Ich kann immer noch nicht leugnen, dass dieses grelle Gelb eine meiner absoluten Antifarben ist. Aber bei diesem Cover passt die Farbe perfekt. Zusammen mit den düsteren Astsilhouetten und den ausgewaschenen Ränder wirkt es eindrucksvoll und ziemlich düster. Mir gefällt die Gestaltung sehr gut. Schlicht in zwei Farben gehalten, aber trotzdem sehr gelungen. 


Es war nicht okay, dass ich meine Mutter angelogen habe.


Ein Buch, das mich trotz meiner anfänglichen Skepsis, im Endeffekt doch mit seiner schaurigen Idee überzeugen konnte.
Obwohl Jesper von Beginn an dagegen ist, dass seine drei Jahre jüngere Freundin Lida ihn bei dem Blind Walk begleitet, schafft sie es mit ihrer Dickköpfigkeit ihn davon zu überzeugen sie bei dem Event anzumelden. Die Geschichte beginnt auch fast ohne Umschweife direkt mit dem Abenteuertrip. Obwohl Lida noch minderjährig ist, wird sie mit Jesper und fünf anderen Jugendlichen (obwohl jugendlich etwas übertrieben ist, da alle Teilnehmer bis auf Lida über 18 sind) mitten in einem ihnen unbekannten Wald ausgesetzt. Sie wissen noch nicht, dass das Leben für einige Leute der Gruppe nach diesem Trip nicht mehr so sein wird, wie es zuvor war.

„Direkt vor unseren Füßen reißt der Waldboden sein Maul auf. Zähne aus hellgrauem Felsen umrahmen den schätzungsweise fünfzig Meter langen, fünf Meter breiten und zwanzig Meter tiefen Spalt. Abgebrochene Baumstümpfe, niedriges Gestrüpp und eine Schicht aus welkem braunem Laub bilden den Rachen. Und er hat auch etwas verschluckt. Am Rand des Felsens hängt ein in sich verdrehter Körper an einem Baumstumpf.“ (S.74)

Ich muss sagen, dass mich die Inhaltsbeschreibung des Buches mehr als angesprochen hat. Nachdem ich allerdings die Leseprobe bei Vorablesen gelesen habe, war ich dann doch etwas abgeschreckt. Denn bereits hier hatte ich Bekanntschaft mit einer unglaublich starrköpfigen und egoistischen Lida gemacht, die mich nicht gerade begeistern konnte. Zumal man direkt gleich zu Beginn erfährt, dass es bei Jesper und Lida in ihrer Beziehung heftig kriselt. Die Befürchtung, dass der Blind Walk zu einer Art Eat, Survive and Love-Trip für die Beiden wird, war sehr groß.

Mit Lida konnte ich auch im gesamten Verlauf des Buches nicht wirklich warm werden. Das Bild, dass ich am Anfang von ihr hatte, wurde bereits nach wenigen Seiten bestätigt und immer, wenn Lida dachte, dass sie vielleicht einfach hätte daheim bleiben sollen, konnte ich das gedanklich nur bestätigen. Bis zur Mitte des Buches ging sie mir sogar dermaßen auf die Nerven, dass ich nicht einmal mit ihr Mitleid haben konnte, dass Jesper ihre Beziehung bis zu diesem Event als nichts wirklich Ernstes angesehen hat und sie deshalb eigentlich bei diesem Trip gar nicht dabei haben wollte.
Doch zum Glück blieb zumindest das dramatische Liebeswirrwarr größtenteils aus. Hingegen wartet die gute Lida etwa ab dem letzten Drittel des Buches mit einer für mich sehr überraschenden Intelligenz auf.

„So läuft das doch im Leben, oder? Es gibt keine Zufälle. Man trifft genau die Menschen, die wichtig für einen sin, um Zusammenhänge zu verstehen, ein bisschen mehr über sich selbst zu erfahren und vielleicht auch ein paar Dinge ändern zu können.“ (S.313)

Hingegen empfand ich die Wahl der anderen Figuren als sehr gelungen und die Mischung der verschiedenen Charaktere sehr angenehm. Sogar die bei allen so unbeliebte Natascha konnte mich von sich überzeugen.


Was mich allerdings, abgesehen von Lida, etwas irritiert hat, war die angespannte Stimmung in der Gruppe. Sofort zu Beginn misstraut jeder jedem. Egal was sie tun, es wird hinterfragt, und das oft nicht leise. Natürlich ist mir klar, dass man bei solch einem Event nicht mit einer super guten Laune aufwartet, doch wirkten für mich die Streitereien teilweise sehr gekünstelt.
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass sobald die erste Leiche entdeckt wird, scheinbar alle davon ausgehen, dass irgendjemand hinter ihnen her ist. Paranoider geht’s ja wohl nicht! Da nützte es auch nicht, dass Natascha genau diesen Gedanken im Verlaufe des Geschehens ausgesprochen hat. Natürlich ist es erschreckend einen Toten zu finden, doch könnte dies und alle anderen Geschehnisse zu Beginn alles genauso gut ein Unfall gewesen sein.
Natürlich weiß man als Leser, dass dem nicht so ist, aber solche paranoide und unbegründet streitlustige Figuren haben mir am Anfang wirklich ein wenig den Spaß verdorben. Es fühlte sich an, als ob gezwungenermaßen Spannung aufgebaut werden soll, die aber eigentlich noch gar nicht da ist.
Dabei hat die Geschichte mit ihrem leicht schaurigen Setting und den äußerst unterschiedlichen Charakteren auch so gleich zu Beginn sehr viel zu bieten. Gerade zu Beginn hätte ich mir gewünscht etwas mehr über die Figuren zu erfahren. Seien es nur Eigenheiten im Gang oder Kleinigkeiten. So dauerte es eine Weile, bis ich feststellen konnte, wie unterschiedlich die Figuren alle waren und dass diese Charaktere in der Gruppe so bunt zusammengewürfelt wurden, wie man es sonst wohl nicht finden würde.

Zwischen der eigentlichen Story, dem Blind Walk, beschreibt jedes Zweite Kapitel eine vollkommen andere Geschichte, die an einem komplett anderem Ort spielt, jedoch zur selben Zeit. Zu Beginn empfand ich diese Kapitel als äußerst nervig und habe mir sogar auf meinem Notizzettel „Fühlt sich an wie Werbung“ notiert.

Aber kaum das sich diese Einschübe nicht mehr so sehr häufen und allmählich ersichtlich scheint, worauf das hinauflaufen soll, waren sie sehr viel weniger anstrengend. Die Art und Weise, wie sich die beiden Geschichten dann verbunden haben, fand ich sogar äußert erfrischend und ab hier konnte mich das Buch ziemlich überzeugen, sodass ich die letzten 250 Seiten mit einem Rutsch durchlesen musste.
Die Zu Beginn noch gekünstelte Spannung schlug in Echte um und konnte mich fast bis zum Schluss fesseln. Das war natürlich auch der äußerst kreativen Wendung zu danken, die ich so auf gar keinen Fall erwartet hätte! Bis zum Schluss waren die Verbindungen der Charaktere sehr undurchsichtig und man konnte nicht voraussehen, wie sie nun wirklich zueinander stehen. Das ist natürlich auch dem Schreibstil der Autorin zu verdanken, denn es wird oft nur soviel verraten, dass man nach mehr lechzt, aber das Puzzle im Kopf eigentlich nur größer macht.
Sehr gut fand ich auch, dass die Auflösung des ganzen dann doch einen unerwarteten, leicht moralischen Aspekt hatte. Soviel Ernsthaftigkeit hätte ich dem Buch gar nicht zugetraut. Fragen wie, was Menschen während eines Komas miterleben, werden in Angriff genommen, oder andere medizinische Aspekte, auf die ich nicht weiter eingehen kann ohne zu spoilern.
Wo ich zu Beginn noch nicht ganz wusste, wie das alles zusammen passen soll, wurde mir die Lösung dann häppchenweise serviert und gefiel mir im Endeffekt sehr gut.


Nach einem etwas holprigen Anfang wartet Blind Walk mit einer unerwarteten Wendung auf, die es von anderen Jugendbüchern abhebt. Wo zu beginn die Spannung noch sehr gekünstelt wirkte, konnte sie mich am Ende dann doch gefangen nehmen und ließ das Buch auch für mich zu einem echten Abenteuertrip werden. Die Idee dahinter gefällt mir insgesamt sehr gut, denn das Buch hat doch mehr Tiefgang als es auf den ersten Blick scheint.
Von mir gibt es dafür sieben von zehn Cupcakes.


Danke an den Coppenrath-Verlag für das Leseexemplar! :)

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